Sonntag, 7. Dezember 2008

Was mache ich hier eigentlich?



Es ist Sonntag 7 Dezember, 12:55. Ich sitze auf dem Balkon unseres AIESEC Trainee Houses. Ich habe mir vorgenommen heute mal nichts zu unternehmen, wie sonst üblich an meinem freien Tag. Ich genieße die Sonne. Es ist spürbar kälter geworden, nachts klettert die Temperatur auf vielleicht 5-10 Grad oder so. Aber gegen Mittag ist es immer noch recht warm, T Shirt Wetter. Und es ist trocken, seit ich Hamburg am 15. August verlassen habe, hat es nicht einmal geregnet. Nicht im Iran, nicht in Delhi. Monsun habe ich knapp verpasst. So ein richtig schönes Gewitter mit anschließendem Wolkenbruch das wär was…

Heute ist wird ein schöner Tag, Güzin aus Istanbul, meine neue Zimmergenossin feiert heute Abend in ihren Geburtstag rein. Sie ist ein interessanter Typ, Buddhistin, Psychologin, Meditation, Yoga. Sie tanzt den ganzen Tag in der Wohnung rum.

White Smyle Dental Spa and Dental Clinic

Aber nun endlich zu meinem Job. Was mache ich hier eigentlich? Zuerstmal eine nüchterne Beschriebung. Ich mache 6 Monate ein Praktikum. Die Firma in der ich arbeite heisst „White Smyle Dental Spa and Dental Clinic“ und ist ein Start-Up Unternehmen.

www.whitesmyle.com

Worum geht’s? Es handelt sich um ein neues Konzept einer Zahnärztlichen Praxis. Man kann sich eine normale Zahnartzpraxis vorstellen, die aber optisch sehr ansprechend gestaltet ist und in der man zusätzlich zur Zahnärztlichen Behandlung weitere Services in Anspruch nehmen kann, sog.“ Spa Services“. In Deutschland würde man das wahrscheinlich Wellness nennen. Der Patient kann also während einer saftigen Wurzelbehandlung eine Fuss- oder Nackenmassage bekommen. Auch möglich sind Ganzkörpermassagen vor oder nach der Zahnbehandlung. Diese „Spa-Services“ sind optional zur eigentlichen Behandlung. Die Idee dahinter ist, den Patienten von der evtl. durchaus schmerzlichen Prozedur in seinem Mund abzulenken. In unseren Marketing Broschüren nennen wir das „Painless Experience“ und „Create a Home away from Home“. Mir fällt gerade ein, das der Zahnarzt in Neuwiedenthal, bei dem ich als Kind so einige Zeit auf dem Stuhl verbracht habe ein Poster an der Decke angebracht hatte. Darauf war im Comic Stil eine Stadt abgebildet, in der es einiges zu entdecken gab. Die Idee war wohl die gleiche: Ablenkung von dem Schmerz. Leider war die Comic Stadt nach 2 bis 3 Besuchen schon vollständig erkundet und meine Aufmerksamkeit verlagerte sich wieder Richtung Bohrer. Die Inder sind da wie so oft cleverer. Bei White Smyle ist neben der Lampe und dem sonstigen zahnärztlichen Gerät ein Flat-Screen angebracht. Mit Hilfe der kabellosen Kopfhörer kann sich der Patient vollständig auf den Hollywood Blockbuster konzentrieren. (Marathon Man mit Dustin Hoffman ist nicht im Programm). Bollywood ist natürlich auch möglich.


Was ist ein Start-Up Unternehmen? Das ist ein BWL Ausdruck und bezeichnet eine Firma in der Gründungsphase. Also die Zeit in der eine Firma einen Kundenstamm aufbaut und sich zeigt ob das theoretische Geschäfts-Konzept auch in der Realität funktioniert. Üblicherweise werden in dieser Phase viele Erfahrungen gesammelt und Dinge wie Preise, Marketing, Angebote, Produkte angepasst. Kennzeichnend sind auch, dass es in dieser Start Up Phase hauptsächlich darum geht zu überleben, die Firma auf den richtigen Weg zu bringen (in die schwarzen Zahlen) und zu wachsen. Das bedeutet, dass alle Beteiligten sich extrem reinhängen. Das Geld ist immer knapp, es sind Ideen und Kreativität gefragt.


"Free Dental Check Up"

Was ist mein Job? White Smyle hat zwei Zielgruppen, zwei Zielmärkte. Zum einen die Indische Bevölkerung in South Delhi. Die traditionelle Zahnarztlandschaft in Indien ist eigentlich rel. ähnlich wie in Deutschland. Es gibt hauptsächlich kleinere Praxen, die sich in ihrer Umgebung einen Namen machen und somit ihren Patienten (Kunden) stamm aufbauen. Der Name des Zahnarztes ist entscheidend. „Wohin gehst du zum Zahnarzt?“ „Zu Dr. Müller“ – oder in South Delhi „zu Dr. Mukerjee.“ Der Ansatz von White Smyle ist es einen „Markennamen“ aufzubauen. Entscheidend bei uns ist nicht der Name des Doktors sondern die Marke „White Smyle.“ Wir bieten alle Behandlungen an, die es gibt, von Wurzelbehandlung und Kronen über Brücken und Implantaten zu Zahnspangen und Zahnreinigung. Wir haben einen „In-House Dentist“, der permanent da ist und 13 Spezialisen, die nur zu den Terminen kommen, z.B. für feste Zahnspangen. So bieten wir das komplette Programm an und haben trotzdem sehr wettbewerbsfähige Preise. Zusätzlich haben wir einen sehr Patientenfreundlichen Service, den die üblichen Zahnärzte nicht haben. Bei uns muss keiner lange warten, die Patienten werden vor und nach den Terminen angerufen und gefragt, ob alles ok ist und alle Kosten werden vor der Behandlung ausführlich besprochen. Ein weiterer großer Unterschied ist, das wir wie eine Firma arbeiten. D.h wir machen uns Gedanken darüber, wie wir Geld verdienen können und wie wir wachsen können. In den ersten 2 Monaten hab ich bisher hauptsächlich an unserem Marketing Konzept gearbeitet und es umgesetzt. Aktuell überlegen wir, mit welcher Strategie wir uns am besten vergrößern. Wir haben schon einige Gespräche mit potentiellen "Franchisees" geführt, also Leuten, die mit unserem Konzept und unserem Markennamen eine "Filliale" eröffnen wollen. Das funktioniert im Prinzip genauso wie McDonalds. Sehr interessant, wir arbeiten gerade an dem Franchising Konzept.

Das Spannende ist, das wir im Prinzip kein Geld haben und deshalb gute Ideen haben müssen. Als Werbung hat bisher „Direkt Mailing“ am besten funktioniert. Wir haben in Word einen Brief verfasst, der den Empfänger auffordert zu einen “Free Dental Check up“ zu uns in die Klinik zu kommen. In Indien werden die Namen und Adressen von allen Wahlberechtigten frei zugänglich für die verschiedenen Bezirke im Internet veröffentlicht. Aus dieser Quelle haben wir die Daten kopiert und schicken unsere Einladungen mit persönlichem Empfänger an alle Haushalte in unserer Umgebung. Diese Werbe-Maßnahme kostet uns also lediglich den Ausdruck und den Briefumschlag. Das verteilen an die Briefkästen übernimmt unser „Hygienist“, der Assistent des Inhouse Doctors und „Office Boy“. Er erledigt alle möglichen arbeiten, hauptsächlich ist er Laufbursche. Diese Maßnahme brungt uns die meissten neue Kunden. Ausserdem können wir super nachvollziehen wie viele Walk-Ins wir dadurch bekommen, weil wir dazu auffordern den Brief mitzubringen, um die 25% Discount on all Services zu bekommen. Somit haben wir ein Marketing Instrument, dass fast nichts kostet, sehr effektiv und dazu noch sehr gut messbar ist. Z.B haben wir jetzt nach ein paar Durchläufen den Brief angepasst und speziell Kronen, Brücken und Gebisse angepriesen. Im Internet steht auch das Alter der Wahlberechtigten, dieser neue Brief geht an alle über 30.

Neben dem Direct Mailing haben wir auch Zeitungsannoncen in allen wichtigen Zeitungen. Allerdings sind normale Annoncen zu teuer für uns, doch zum Glück gibt es die „inoffiziellen Annoncen.“ Eine Firma druckt Annoncen auf Zeitungspapier und besticht die Zeitungsausträger. Sie legen dann den „Extra Teil“ in alle großen Zeitungen.

Ein anderes kleines Projekt von mir war ein Newsletter. Um die Patienten an uns zu binden haben wir eine Mitgliedschaft, die allerlei Vorzüge bietet. Für die Mitglieder habe ich so etwas wie eine „Apothekenumschau“ zusammengestellt. Eine vierseitige Broschüre mit Case Studies, so etwas wie Dr. Sommer in der Bravo: „Ask your Dentist“ und anderem unwichtigem Kram. So werden unsere Mitglieder auch zu Hause an unsere Marke „White Smyle“ erinnert. Ausserdem liegt der Newsletter im Wartezimmer aus und wird recht fleissig durchgeblättert.

Eine weitere Maßnahme sind Coupons, die z.B. in einem Hair Salon in der Gegend zusammen mit der Quittung an jeden Kunden ausgegeben werden. Das Drucken der Coupons war wesentlich teurer als die Direct Mailings, haben aber bisher kaum response gebracht.



Medical Tourism

Der zweite Markt für uns ist „Medical Tourism“. Bevor ich nach Indien kam hatte ich noch nie davon gehört, aber es reisen viele Leute ins Ausland um eine medizinische Behandlung zu bekommen die sie sich im Heimatland entweder nicht leisten können oder auf die sie zu lange warten müssten. Seit ich hier bin habe ich viel über Medical Tourism gelernt. Das ist ein wachsender Markt. In Ländern wie Thailand, Costa Rica, Brasilien, Türkei, Polen, Ungarn und eben Indien entstehen riesige Krankenhäuser, die alle möglichen Eingriffe anbieten. Von der Schönheits-OP bis zu orthopädischen Eingriffen – für einen Bruchteil des Preises in westlichen Ländern. Mal zum Vergleich: ein Implantat aus Titan (also eine Halterung für eine Krone, die in den Knochen eingepasst wird, wenn ein kompletter Zahn inklusive Wurzel entfernt werden musste) + Krone kostet 780 Euro. Das Implantat hat 10 Jahre, die Krone 5 Jahre Garantie. Hier in Indien gibt es riesige Krankenhäuser, die eher einem 5-Sterne Hotel gleichen als einem normalen Deutschen Krankenhaus. Ich kann mir gut vorstellen, dass sich in Zukunft sehr viel mehr Leute dafür entscheiden ins Ausland zu fahren um sich operieren zu lassen. Unsere Zielländer sind hauptsächlich USA und UK, weil es dort eine große Bevölkerungsschicht ohne oder mit nicht ausreichender Krankenversicherung gibt. Allein in den USA leben 45 Mio Menschen ohne jegliche Krankenversicherung, 120 Mio haben keine Versicherung für zahnärztliche Behandlungen. Der Medical Tourism Markt erlebt gerade einen Hype, viele Unternehmen drängen in den Markt, sog. Medical Tourism Facilitator. Sie sind der Vermittler zwischen den Patienten und Kliniken. Sie promoten Kliniken aus Indien in den USA oder England und regeln die gesamte Reise. So in etwa wie ein Reisebüro. Sie buchen Flüge, Abholung vom Flughafen und wenn gewünscht ein Trip zum Taj Mahal vor oder nach der Brust OP.

Unser Plan ist es mit so vielen Firmen wie möglich Verträge zu machen, bevor sich der Markt sich in Indien richtig etabliert hat. Wir sind sozusagen „Pioneers in Dental Tourism“ to India. Dieser Spruch gehört zu meinem Repertoir wenn ich mich mit den indischen Medical Tourism Facilitator Companies treffe und ihnen unser Konzept verkaufe. Ich habe eine Tabelle mit allen Firmen in dem Bereich, die ich dann anrufe und White Smyle vorstelle. Die in Amerika und UK muss ich am Telefon von uns überzeugen, mit Firmen in Delhi mache ich Termine aus und dann gibt’s ein Meeting. Das war anfangs echt eine harte Herausforderung. Ich musste viel über unsere Behandlungen, wie z.B. „Single sitting Root Canal Treatment“ oder „One Hour Laser Teeth Whitening“ lernen. Zu wissen wovon man spricht ist die eine Sache, ein erfolgreiches Verkaufsgespräch zu leiten noch wieder eine ganz andere. Speziell in Indien. Alleine damit das Meeting stattfindet muss erstmal 7 mal telefoniert werden. 3 mal um interesse zu wecken, 2 mal um das Datum fest zu legen und weitere 2 mal damit man auch wirklich jemanden zur Vereinbarten Zeit antrifft. In den Meetings selber wird dann sehr viel geredet, auch sehr gerne die gleichen Dinge immer wieder wiederholt, es wird viel übertrieben (die Faustregel über Business-Statements in Indien ist: Subtrahiere 5 von 7 Behauptungen, dann hast du eine halbwegs realistische Einschätzung der Firma), und es wird viel versprochen. Sagt mir jemand im meeting das wir unbedingt zusammenarbeiten sollten hat das absolut keine Bedeutung. Das einzige was zählt ist die persönliche Beziehung zwischen zwei Menschen, oder Empfehlungen guter Freunde oder Familienmitgliedern. Selbst wenn ein gutes Geschäft winkt würde es nicht zustandekommen, wenn ein Beteiligter zweifel an der Person hat. Ist also nach einem Meeting eigentlich alles geklärt, muss ich meisst noch 2 weitere Treffen arrangieren um den Deal zu machen. Diese Meetings sind aber bisher das spannendste an meinem Job. Meisst fahre ich alleine mit der Autorikscha in irgendeinen Teil von New Delhi und treffen mich mit indischen Geschäftsleuten um ihnen von White Smyle Dental Spa and Dental Clinic zu erzählen. Das ist echt cool, und so langsam kommen ein paar Verträge zustande. Meine Visitenkarte hilft mir dabei ernst genommen zu werden. Bevor ich diese wichtigen Meetings hatte, hat mein Chef mich erstmal ein paar mal zu "unwichtigen Meetings" geschickt um zu üben. Das hat er mir allerdings erst hinterher erzählt...

Das ist erstmal sachlich erklärt, was ich eigentlich so 6 Tage die Woche von 11:00 bis 20:00 Uhr mache. Aber das ist nur die halbe Warheit, wie so oft in Indien. Sehr speziell sind die persönlichen Beziehungen zu meinen Kollegen in unserer kleinen Klinik. Aber dazu mehr beim nächsten Mal. Jetzt wird erstmal Geburtstag gefeiert. Güzin hat heute ihren Alkohol und Fleisch Tag. Sie hat so einen besonderen Kalender der was mit Planetenkonstellationen oder so zu tun hat und der ihr sagt wann sie was essen darf. In diesem Moment ist sie gerade schreiend auf den Balkon gesprungen „Come...I hope the moon is visible!“ Paolo folgte ihr mit den Worten: „Why not“

Na dann, Prost!

Freitag, 28. November 2008

India's 9/11

Ihr habt es in den Nachrichten sicherlich verfolgt, in Mumbai sind sind gestern und heute die bisher schwersten Terroranschläge in der Geschichte Indiens verübt worden. Ich sitze momentan bei der Arbeit und verfolge im Fernsehen die Geschehnisse. Momentan ist noch ein Geiselnehmer im Hotel Taj Mahal, es wird erwartet, dass die Spezialeinheiten sehr bald das komplette Gebäude gestürmt haben. Alle hier sind total geschockt. An 10 Orten in Mumbai haben mit AK 47 Gewähren und Handgranaten bewaffnete Terroristen gleichzeitig zugeschlagen und anschließend in 3 großen Hotels Geiseln genommen. Im Fernsehen läuft seit 2 Tagen nichts anderes, es wird eine islamistische Gruppe mit Verbindungen nach Pakistan als Drahtzieher vermutet. Die Stimmung zwischen Hindus und Moslems in Indien und zwischen Indien und Pakistan ist normalerweise schon sehr negativ, ich hoffe das es im Anschluss an die Geschehnisse nicht zu weiteren Auschreitungen kommt. Aber schon jetzt hört man an ständig von Hindus, dass Moslems die Wurzel allen Übels seien. Am Samstag sind in Delhi Wahlen für den Bundesstaat Delhi, meine Kollegen sind sich sicher das die Anschläge dem Rechten Flügel der Hindu-Parteien zu Gute kommt. Die Nachrichtensender zeigen als ständigen Schriftzug "Indias 9/11" auf dem Bildschirm.

Heute Mittag war ich kurz auf der Strasse, die Polizeipräsenz hat stark zugenommen. Es ist schon echt strange, ich hoffe das es nicht zu noch schlimmeren Ereignissen kommt.

Mir geht es auf jedenfall gut, ich meld mich demnächst wieder!!


Samstag, 25. Oktober 2008

WG Leben im Delhi Trainee House


Meine Neue Adresse lautet 7/17 Kalkaji Extention, New Delhi. Das Traineehouse ist cool. Eine schöne Wohnung, vielleicht 120qm groß. Ich wohne zusammen mit:


Tony (Netherlands)



Johan (Netherlands)



Paolo (Brazil)



Hien (Vietnam)



Soufiane (Marocco)



Oussama (Marocco)



Wojtek (Poland)

Alle sind AIESEC Praktikanten und arbeiten entweder in NGO's (Non Goverment Organisations) oder in Unternehmen in unterschiedlichen Bereichen. Z.B Bei TATA Consultancy Services. Wir teilen uns jeweils zu dritt ein Zimmer, das jeweils ein Badezimmer hat. In Hien und meinem Zimmer ist im Moment ein Bett frei. Ich bin selbst überrascht, wie wenig mich das Verlangen nach Privatsphäre bisher geplagt hat. Schon Im Iran, wo ich mein Zimmer 6 Wochen mit jemandem geteilt habe war das kein Problem. Aber vielleicht kommt das ja noch.


Unser großzügiges Wohnzimmer



Mein Bett

Die Kaltmiete beträgt 4000,- Rupees. Zusätzlich zahlt jeder 800 Rupees in die Hauskasse für: Die Cleening Lady, Wasser, Tinkwasser, Strom, Internet, Klopapier, und Küchenkram wie öl, Zucker, Salz, etc.
68 Rps entsprechen 1 EUR. Meine Warm-Miete ist also etwa 70,- Euro. Die Cleening Lady kommt jeden Morgen (ausser Sonntags) und macht erst den Abwasch und putzt danach die Zimmer. Klingt luxuriös, ist es auch. Allerdings muss das empfinden von Sauberkeit muss stark runtergeschraubt werden. Wenn die Cleening Lady den Abwasch macht schau ich lieber nicht zu. Wenn man ihr nicht jeden Morgen sagt, dass sie jedes Badezimmer sauber machen muss, macht sie es nicht. Es ist auch nicht wirklich sauber hier, wenn sie da war. Der Schmutz ist nur gleichmäßiger verteilt. Darauf aufzupassen ist seit dem letzten „House Meeting“ mein Job. Es gibt hier verschiedene Jobs, die wichtig sind für das Überleben von 8 Ausländern in einer Mietwohnung in New Delhi, India. In Deutschland funktionieren Dinge einfach so, hier nicht. Die Jobs sind:

  • Pumpe an- oder ausstellen. Jedes Haus hat Wassertanks auf dem Dach, weil sich das Wasser der Stadtwerke nur zu bestimmten Zeiten den Weg durch die Rohre sucht. Damit 8 Leute morgens und abends Duschen können, muss der Tank immer voll sein. Also muss jemand morgens um 5:30 die Pumpe anstellen und jemand anderes um 6:30 wieder aus. Das gleiche Spiel um 5 Uhr nachmittags. Ist der Tank voll, gibt ein Alarm bescheid. Gibt er zu lange bescheid wird die Wohnung der Mieterin über uns mehr oder weniger (je nachdem wie lange wir den Alarm nicht hören) überschwemmt. Bevor ich ankam ist das wohl recht häufig vorgekommen, woraufhin sie aus Wut unsere Mülltonnen gestohlen hat…
  • Alle Zahlungen (Miete, Wasser, Internet etc…) regeln und überwachen. Die Miete geht an den Finanzer von AIESEC, den Rest regeln wir selber. Z.b die 20 Ruppes für den Müll-Boy, der jeden Tag unseren Müll abholt.
  • Trinkwasser bestellen und bezahlen. Diese Dinge wie Internet, Wasser etc. sind nicht ganz einfach zu regeln, weil man selten eine Rechnung und auch nichts genaues gesagt bekommt…schon gar nicht am Telefon. Manchmal bekommt man nichts und weiss nicht warum.
  • Gas zum kochen besorgen. Indien ist ein Gas Kocher Land. Deutschland nicht, kaum jemand hat in Deutschland einen Gaskocher in der Küche. Hier hat es jeder Haushalt. Das Problem ist nur, das es nicht genügend Gas für alle gibt. Also hat jeder Haushalt seine registrierte Gasnummer. Es kann also passieren, dass man mit seinem Gasbehälter kein Gas bekommt. Ich glaub das hat auch was mit Korruption zu tun. Auf jedenfall haben wir beim letzten Mal unser Gas auf dem Schwarzmarkt auffüllen lassen, damit wir etwas kochen können. A propos Gaskocher. Es ist schon witzig, was einen manchmal einholt. Ich kann mich noch genau erinnern wie uns Frau Schreiter im Hauswirtschaftsunterrricht in der 6. Klasse gelehrt hat: „In der Spitze der Flamme liegt die heisseste Stelle. Wenn man den Gashahn zu stark aufdreht, geht Hitze verloren und man verschwendet unnötig Energie!“ Es gab sogar eine zwei Abbildungen für unsere sorgfältig geführte Mappe. Richtig und falsch. Richtig war, wenn die Spitzen der einzelnen Flammen gerade den Topfboden berühren. Falsch, wenn sie wild an der Seite des Topfes empor steigen. Jetzt, gute 12 Jahre später nun der Feldversuch an einem indischen Gasherd: Also entweder herrschen hier andere physikalische Gesetze, oder ich hab da was fundamental falsch verstanden. Ich habs mehrmals ausprobiert: mein indisches Wasser kocht umso schneller, je mehr ich den versifften Hahn aufdreh!!!
  • Küchenutensilien und Klopapier kaufen
  • Und eben die Cleaning Lady überwachen.

Ansonsten ist das WG-Leben recht spaßig.


Paolo versucht sich in musikalischer Erleuchtung



Hien macht ab und an Massagen (normalerweise ohne Gummihandschuhe...)

Sonntags unternehmen wir meisstens was zusammen. Delhi ist ne riesen Stadt, in der man viel erleben kann. Auch das AIESEC-Netzwerk beschert uns diverse Möglichkeiten, z.B Fussball spielen in der sudanesischen Botschaft:




..oder indische Upper Middle Class Partys:







Mittwoch, 22. Oktober 2008

Schon im Flugzeug fängt Indien an

Als ich in Bahrain durch die Schleuse zum Flugzeug ging und einsteigen wollte, betrat neben mir ein kleiner unscheinbarer indischer Passagier den Airbus A320. In seiner Hand hielt er einen Kanister, der bei mir sofort die Assoziation „Benzin“ auslöste. So ein Handelsüblicher Benzinkanister eben, mit der Aufschrift „Water“. Leicht irritiert ging ich zu meinem Platz. Wie war das noch gleich mit den Sicherheitsbestimmungen? Keine Flüssigkeiten im Handgepäck oder so ähnlich…? Später kam ich mit meinem Sitznachbar ins Gespräch. Er erzählte mir, dass er gerade seinen Mecca-Besuch in Saudi Arabien absolviert hat. Das Wasser in dem Kanister sei heiliges Wasser aus Mecca. Hm, ok.. Ausserdem erzählte er, dass er Parfum herstellt, in drei Fabriken in Indien und Saudi Arabien. Als er mit 4 Probeflaschen im Handgepäck einchecken wollte, hat das Flughafenpersonal zuerst auf die Sichereitsrichtlinien hingewiesen, nach einigem Hin und Her allerdings 2 der 4 Flaschen genehmigt. Ohne zu checken, was in den Flaschen ist… Wir beide waren uns einig. „You can never get away with this in Europe.“

Aber wir sind ja auch nicht in Europe, sondern auf dem Weg nach Indien. Im Flugzeug saßen fast nur Inder, oder zumindest Leute die für mich indisch aussahen. Als ich den Flieger einstieg, habe ich bereits Indien betreten. Und in Indien ist alles anders. Ich bin noch leicht verschlafen als das Flugzeug zur Landung ansetzt. Noch bevor das Flugzeug den Boden berührt hatte, stand der erste Passagier auf und holte sein Gepäck aus der Ablage. Alle Signale waren noch auf „Fasten your seat belts.“ Erst nach einigem Gekreische einer Stewardess setzte sich der Passagier wieder hin. Nach der Landung, noch beim einparken, gings dann los. Ich hab gelernt das Wahrnehmung stark von der eigenen Kultur geprägt ist. Nach meiner Wahrnehmung waren das schon Panik artige Zustände. Alle Passagiere (ausser mir) sprangen von ihren Sitzen und versuchten zeitgleich so schnell wie irgend möglich ihr Handgepäck aus der Ablage zu zerren. (während das Flugzeug noch zum Terminal fuhr) Da half auch kein Gekreische der Stewardess mehr. Die Inder waren einfach lauter. Erst als der einzige männliche Flugbegleiter sich mit kräftiger Stimme dem Mob zuwendete, kehrte einigermaßen Ruhe ein. Einige setzten sich wieder hin. Der Steward verkündete mit böser Miene, dass keiner das Flugzeug verlassen wird, wenn sich nicht augenblicklich alle wieder hinsetzen!! Als sich die Türen dann öffneten, setzten einige zum Sprint zum Terminal an. Ich verließ entspannt als letzter den Gulf Air Flieger und betrat indischen Boden.

Wer aus dem Terminal dem Ghandi Airport die Stadt Delhi betritt wird begrüßt wie ein Hollywood Star auf dem Weg über den Roten Teppich zur Oscar Verleihung. Es fehlt nur der Teppich. Links und rechts neben der Absperrung stehen hunderte Taxi Fahrer, Gepäck-Träger und sonstige Geschäftemacher. Selbst um 6 Uhr Morgens. Von meiner AIESEC-Kontaktperson Prithvish wurde mir gesagt, jemand wird mich abholen. So wie ich selbst etliche Male AIESECer aus aller Welt mit unserer Fahne am Flughafen Hamburg abgeholt habe. AIESEC Indien ist dafür bekannt, dass dies nicht immer klappt, aber ich habe Glück und nach einiger Zeit sah ich das Pappschild mit der Aufschrift „AIESEC“.

Karan, 17 Jahre, begrüßte mich freundlich und sein personal driver fuhr uns direkt zu sich nach Hause. Bevor ich in die Wohnung eintrat, segnete mich seine Mutter mit dem typischen Punkt aus rotem Pulver auf der Stirn. Die erste Nacht verbrachte ich bei Ihm, bekam indisches Essen (sehr scharf..) und wir besorgten mir eine SIM Karte für mein Handy. Von dort aus wurde ich direkt in das Trainee House gebracht. Hier bin ich nun seit 2 Wochen in meinem ZuHause für die nächsten 6 Monate. Karan habe ich seitdem nicht wieder getroffen.


Karan


Serh würziges Frühstück, nach Punjabi - Art


Sonntag, 12. Oktober 2008

Incredible INDIA

Mein Weg nach Indien führte über das Königreich Bahrain, dessen Fluglinie Gulf Air mich mit einem Schinken Sandwich und Rotwein überraschte. Welch eine Wohltat nach 6 Wochen in einem Land mit "US Trade Embargo". Wer von den USA als Schurkenstaat bezeichnet wird, kommt nicht in den genuss von MC Donalds. Im Iran sucht man vergebens nach: Internationalen Fast Food Ketten, vernünftigem Kaffee, Geldautomaten für Ausländer (Iranische banken sind isoliert von der westlichen Welt, man kann keine Ausländischen Krditkarten benutzen, wer Geld tauschen will muss es Bar ins Land bringen...), Schweinefleisch, Alkohol.

Die hübschen Stewardessen von Gulf Air servierten also schonmal einen Vorgeschmack auf den Freedom of choice, den ich in Bahrain eigentlich gar nicht erwartet hätte. Eigentlich hab ich gar nichts erwartet, weil ich keinen blassen Schimmer hatte, wo dieses Königreich überhaupt liegt und was das für ein Ort sein soll. Bahrain ist eine kleine Insel vor Saudi Arabien, direkt neben Qatar, westlich von Dubai. Als ich den Transitbereich betreten habe, offenbarten sich mir dann die wohlbekannten Gesichter der Konsumgesellschaft: McDonalds, Hugo Boss, Toblerone, Jack Daniels, usw. Und Kaffee:


Während ich also einen Capuccino mit reichlich Sahne und Caramel Topping genoss schaute ich mir das bunte treiben auf diesem Flughafen an. Hier war wirklich alles vertreten: Komplett verschleierte Frauen in Schwarz (inklusive undurchsichtigem schwarzem Gesichtsschutz!!), Scheichs in weissen Gewändern, blonde Mädels in Hotpants, Backpacker, ein merkwürdiger Typ (wahrscheinlich Amerikaner) mit kurzen Hosen, ein Bein komplett in schwarz tätowiert, auf der rasierten seite seines Kopfes ein Schachbrett-Muster tätowiert!!!

Wow, die 5 Stunden gingen rel. schnell rum, hier ein paar Eindrücke:










Trip nach Isfahan

In diesem Moment sitzte ich auf einem Balkon im 3 Stock in Kalkaji Extention, New Delhi, incredible India. Aber bevor ich von meiner ersten Woche in Indien berichte kommen hier noch die letzten Bilder aus IRAN.

Mit Ewa aus Polen habe ich noch einen Wochenendtrip gemacht. Nach ISFAHAN. Diesmal mit dem Bus und mit meinem Reisepass:



Die persische Gastfreundschaft hört auch im Bus nicht auf,
jeder Reisende bekommt ein Lunchpaket gereicht...





Ewa...



...und ich morgens um 8 auf dem Imam Square in Isfahan




Ein Geist..




Bazaar...





Ein ungebetener Reiseführer






In einer Pferde Kutsche


Mein Lieblingsbild aus Isfahan, ein Teehaus






Teechen?


Flying Carpet.. da war doch was.. ja schließlich sind wir im Orient.. Da der Teppich aber nur schlaff über einem Holzbrett hing, haben wir den Bus zurück nach Tehran genommen!

Hier noch ein Foto von den AIESECern in Tehran.. ich werde diese 6 Wochen nie vergessen!!

Merci, Khodafez

Montag, 29. September 2008

Tschüss IRAN, INDIA ich komme !!

Es ist soweit. Die letzen Tage gehen immer für Abschied und letzte Besorgungen drauf. Deshalb bin ich jetzt auch etwas in Eile. In einer Stunde geht mein Taxi zum Imam Khomeini int. Airport und in ein paar Stunden geht mein Gulf Air Flieger über Bahrrain nach Delhi, zum Ghandi Airport. Ich glaube Leute, nach denen ein Flughafen benannt wurde, können von sich behaupten richtig wichtig gewesen zu sein.

Ich hab noch einige Fotos aus Isfahan (ein weiterer Ausflug) und Tehran. Die werden selbstverständlich nachgereicht.

Aber jetzt mach ich mich erstmal gedanklich startklar für das oft beschriebene, oft bereiste, oft bestaunte, INDIEN. Ich bin auf alles gefasst, glaub ich zumindest... Indien ist das 24. Land das ich betrete, ich bin gespannt!!

Wie war Iran?? Es gibt soviel zu sagen und zu schreiben. Um es kurz zu machen: Diese 6 Wochen hier waren einfach der Hammer. Dieses Land ist echt cool. Die Menschen haben eine ganz besondere Art. Obwohl ich nur so kurze Zeit hier war, hab ich das Gefühl Freunde fürs Leben gefunden zu haben. Ich kann nur jedem empfehlen mal in den Iran zu reisen. Hier gibt es echt viel zu sehen. Und was Sicherheitsbednken angeht: Tehran ist echt eine der sichersten Großstädte, die ich kennen gelernt habe.
Es ist einfach schade, dass politische Differenzen die Folge haben, dass ein komplettes Land so ein schlechtes Image hat. Mein Eindruck ist, dass dieses Land einfach verdammt viel Pech hat mit der Regierung und jeder einzelne Iraner die Folgen tragen muss. Aber das sollte niemanden daran hindern mal einen Abstecher in den Orient zu machen.

Besten Dank, ich meld mich aus Delhi :)