Montag, 29. September 2008

Tschüss IRAN, INDIA ich komme !!

Es ist soweit. Die letzen Tage gehen immer für Abschied und letzte Besorgungen drauf. Deshalb bin ich jetzt auch etwas in Eile. In einer Stunde geht mein Taxi zum Imam Khomeini int. Airport und in ein paar Stunden geht mein Gulf Air Flieger über Bahrrain nach Delhi, zum Ghandi Airport. Ich glaube Leute, nach denen ein Flughafen benannt wurde, können von sich behaupten richtig wichtig gewesen zu sein.

Ich hab noch einige Fotos aus Isfahan (ein weiterer Ausflug) und Tehran. Die werden selbstverständlich nachgereicht.

Aber jetzt mach ich mich erstmal gedanklich startklar für das oft beschriebene, oft bereiste, oft bestaunte, INDIEN. Ich bin auf alles gefasst, glaub ich zumindest... Indien ist das 24. Land das ich betrete, ich bin gespannt!!

Wie war Iran?? Es gibt soviel zu sagen und zu schreiben. Um es kurz zu machen: Diese 6 Wochen hier waren einfach der Hammer. Dieses Land ist echt cool. Die Menschen haben eine ganz besondere Art. Obwohl ich nur so kurze Zeit hier war, hab ich das Gefühl Freunde fürs Leben gefunden zu haben. Ich kann nur jedem empfehlen mal in den Iran zu reisen. Hier gibt es echt viel zu sehen. Und was Sicherheitsbednken angeht: Tehran ist echt eine der sichersten Großstädte, die ich kennen gelernt habe.
Es ist einfach schade, dass politische Differenzen die Folge haben, dass ein komplettes Land so ein schlechtes Image hat. Mein Eindruck ist, dass dieses Land einfach verdammt viel Pech hat mit der Regierung und jeder einzelne Iraner die Folgen tragen muss. Aber das sollte niemanden daran hindern mal einen Abstecher in den Orient zu machen.

Besten Dank, ich meld mich aus Delhi :)

Montag, 15. September 2008

Trip nach Yazd, oder: „No Passport – No Train!“



Chris und ich hatten uns die Bahntickets besorgt und waren am Mittwoch Abend (also quasi Freitag Abend) ready to go. Angekommen an der Tehran Railway Station wollten wir also auf zum Gleis und in den Zug steigen. Allerdings ist Bahnfahren mit der „Raja Passenger Trains co.“ etwas anders als entspannt in Hamburg in den ICE nach Köln zu steigen. Wir mussten leider feststellen, dass man ähnlich wie am Flughafen durch einen Checkpoint muss. Und dieser beinhaltet für Ausländer auch einen Visa-Check. Kleiner Exkurs: Da ich in Hamburg nur ein 30-tage Visum erhalten habe, musste ich am Tag vor unserer Bahnreise meinen Pass im „Ministry for Foreign Affairs“ abgeben. Sie sagten mir, die Visa-Verlängerung dauert eine Woche. Allerdings sollte ich den Pass an dem neuen Standort der Behörde abholen, weil sie in dieser Woche umziehen werden. Ok… ich stellte mir vor wie hungrige Hilfsarbeiter, die den ganzen Tag noch nichts gegessen hatten (Ramadan) eifrig gepackte Kartons voller Reisepässe auf einen klapprigen Lkw laden, damit quer durch diese Riesenstadt fahren und völlig verplant in irgendein anderes Gebäude wieder abladen…und wie ich nächste Woche frohen Mutes am neuen Schalter nach meinem Pass frage (der auch mein 150,- Euro Indien-Visum enthält). Die Antwort würde sicher sein „Baseda…one moment…..no Baseda!“ Aber erstmal abwarten...

Aber das wird sich nächste Woche raustellen, entscheidend für die Bahnreise war, dass ich also keinen Pass dabei hatte. Irgendjemand hatte es mir auch vorher erzählt aber ich hab irgendwie nicht dran gedacht. Nun stand ich da ohne Pass, 10 Minuten vor Abfahrt. Ich hatte glücklicherweise eine Kopie dabei, aber nur von der ersten Seite des Passes, nicht von dem Visum. Der Police Officer konnte kein Englisch und fragte unentwegt: „Visa, Visa?“ Da half nur ein Anruf bei Saman, der dann über das Handy meine Situation erklären konnte. Der Officer war gnädig und erlaubte uns die Abfahrt. Nun also konnten wir durch die Schranke Richtung Gleis. Alle 5 Meter auf dem Weg zum Gleis und vor jedem Waggon des Zuges stand Uniformiertes Personal, beim einsteigen wurde das Ticket mit der Unterschrift des Police Officers erneut gecheckt. Während wir also in letzter Minute zum Zug hasteten und dann endlich drin saßen sagte mir Saman am Telefon: „Tobi, ich hab dir doch gesagt, mach eine Kopie von deinem Visum. Ohne Visum kannst Du nicht in das Hotel einchecken und nicht Bahn fahren. Ausserdem wirst du verhaftet, wenn es irgendwo eine Kontrolle gibt!“ Oh...der Zug setzte sich in Bewegung und verließ den Bahnhof Richtung Yazd. Ich dachte mir, wieso muss das verdammt nochmal alles so kompliziert sein, wieso kann man nicht einfach einen Wochenendtrip machen ohne diesen Ärger. Als ich mir später mal auf einer Karte angeschaut habe wo Yazd eigentlich liegt, ist mir bewusst geworden wo ich mich eigentlich befinde. Das westliche Nachbarland des Iran ist Irak und im Osten liegt Afghanistan. Yazd liegt genau in der Mitte. Vielleicht sind da gewisse Sicherheitsvorkehrungen gar nicht schlecht. Ausserdem hatten wir Glück. Der Hotelbesitzer war Holländer und hatte kein Problem mit meiner Passkopie und bei der Rückreise wurden die Pässe nicht kontrolliert. Aber nun zu der mind. 1000 Jahre alten Wüstenstadt Yazd, die übrigens auf der alten „Seidenstrasse“ liegt:

Chris und unsere sehr netten Mitreisenden im Zugabteil



Teechen im Zug



www.silkroadhotel.ir -> Cooles Hotel/Hostel in Yazd

Unsere "Reisegruppe": Rie aus Japan, Elena aus Latvia, und 2 chinesische Pärchen


2000 Jahre altes Dorf, Kharanaq. Die Dorfbewohner sind einfach vor ca 30 Jahren ausgezogen und haben ein paar Meter weiter neue Häuser gebaut. Die "Lehmfestung" steht seitdem einfach leer, man kann nach herzenslust drin rumlaufen.







Mosche in Yazd

Sonntag, 14. September 2008

Seperation, Sauna und Islam



Während man sich in Deutschland darüber streitet, ob muslimische Mädchen am feucht-fröhlichen Badespaß mit gleichaltrigen Jungs im schwierigen Alter im Rahmen des Sportunterrichts teilnehmen MÜSSEN, weht hier wahrlich ein ganz anderer Wind.

Ajatolla Khomeini hat gesagt: „In einer islamischen Republik werden die Frauen in der Lage sein zu wählen, einer Beschäftigung nachzugehen und eine höhere Schulbildung zu genießen, aber all das muss mit einer geeigneten Form der Bekleidung, einem Minimum von Verschleierung und wo immer es möglich ist, getrennt von Männern geschehen.“ (Quelle: Wikipedia)

Das „entdecken“ des anderen Geschlechts geht offiziell (und gefühlt auch inoffiziell) vor der Heirat nicht über einen Handschlag hinaus. Und selbst der ist manchmal schon ein Wagnis. Die Regel lautet: Gib nie einer Frau in der Öffentlichkeit die Hand, warte bis sie die Initiative ergreift (oder auch nicht). Mir scheint keine bestimmte Logik dahinter zu stecken, manchmal geben mir Frauen die Hand, manchmal nicht.

Ich wohne im Studentenwohnheim, auch hier klare Regeln

  • Jungs und Mädchen wohnen in verschiedenen Gebäuden
  • Das Betreten des anders-geschlechtlichen Traktes ist untersagt, sprich: „Kein Damenbesuch“
  • Jungs haben einen Schlüssel für ihr Wohnheim
  • Mädchen haben keine Schlüssel, sie müssen Klingeln. Der Hausmeister wohnt im Erdgeschoss und öffnet die Tür (nach 10 Uhr Abends macht er zusätzlich ein böses Gesicht)

Eigentlich ist die Bezeichnung „Jungs und Mädchen“ nicht ganz passend, wir sind alle über 20. Aber im Iran gilt, so scheint es mir : Vor der Ehe ist jegliche Annäherung von Frauen und Männern zu unterbinden. Basta! (Sexuelle Handlungen vor der Ehe sind übrigens per Gesetz verboten)

Wir Ausländer geben unser Feedback zu diesen Regeln, indem wir abends manchmal Stühle vor das Haus stellen, unser Abendessen gemeinsam auf der Strasse essen und im Anschluss manchmal noch einen Film mit dem Laptop anschauen. Sehr zum Erstaunen der Anwohner. Allerdings müssen wir bei den intimeren Szenen den Laptop zuklappen.

Ganz anders wiederum ist es bei Iranern zu Haue bei privaten Events. Neulich war ich zu einer Party eingeladen. Ich wurde in ein unscheinbares Hochhaus geführt. Als ich in die Wohnung eintrat bekam ich (nach 2 Wochen „offizieller Umgebung“) einen regelrechten Wahrnehmungs-Schock. Ist ja auch irgendwie logisch. Wenn man als Frau im Alltag total verhüllt rumlaufen muss, tendiert die „inoffizielle“ Kleiderwahl wohl eher ins Gegenteil. Also „aufgebrezelt“ ist gar kein Ausdruck für die äußere Erscheinung der anwesenden Mädels. Ich hab auch Fotos gemacht, die kann ich aber aus verschiedenen Gründen hier nicht veröffentlichen. Dieses „Inoffiziell“ zieht sich hier einmal quer durch die Gesellschaft. Es gibt Dinge die sind verboten, und es gibt Dinge, die tut man nicht. Z.B. mit freiem Oberkörper Wäsche auf dem Balkon aufhängen. Unsere Nachbarn haben sich beschwert. Ich glaube Iraner haben Angst vor nackten Menschen. Aber das ist nicht nur hier so. Ich erinnere mich an meine USA-Reise. Als ich am menschenleeren Strand von South Carolina schnell mal in meine Badehose schlüpfen wollte, ist meine amerikanische Begleiterin fast gestorben vor Angst davor, dass plötzlich die Polizei aus dem Gebüsch springt und uns beide festnimmt. Gibt es einen Zusammenhang zwischen der Möglichkeit von FKK-Stränden und einer liberalen Gesellschaft? 1 – 0 für Deutschland würd ich sagen.

Apropos baden. Am Abend vor Ramadan hat mich Mohammed zum schwimmen eingeladen. Ich war erstaunt über die Anlage, etwa vergleichbar mit dem Mid-Sommerland in Harburg. Sehr nett: Trockensauna, Dampfsauna, Kältebecken, Whirpool, großes Becken zum Schwimmen. Es war die perfekt Entspannung von dem staubigen, SMOG-heimgesuchten Moloch Teheran. Und zusätzlich sehr interessant. Die Dampfsauna war gut besucht und Einer trommelte auf einem Eimer herum. Er gab auch den Ton an und bei scheinbar bekannten Textpassagen stimmten Alle mit ein. Ein feucht- fröhlicher Sauna-Chor mit Sprechgesang Einlagen des Trommlers. Mohammed übersetzte mir einige seiner Einlagen: es ging hauptsächlich um schlüpfrige Eskapaden des Trommlers – vor und während der Ehe!! Ich war schockiert und entzückt zugleich. Zwischendurch wurde eiskaltes Wasser in einer Schale gereicht. Herrlich.

Später in der Trockensauna erzählte ich Mohammed von unseren Sauna-Gepflogenheiten in Deutschland. Etwa, dass wir unsere Badehosen ausziehen und… es war mir schon fast unangenehm zu sagen (3 Wochen islamische Welt sind auch an mir nicht ganz spurlos vorübergegangen) mit Frauen zusammen! Dies schien für Mohammed wirklich sehr schwer vorstellbar. Ich hatte mir fest vorgenommen, so wenig wie möglich meine Eindrücke zu bewerten, sondern mich darauf zu konzentrieren so viel wie möglich zu verstehen und zu erleben. Wir unterhielten uns lange über die verschiedensten Dinge. Mohammed käme sicher nie auf die Idee sich im Iran für die Einführung von Gemischt-Saunas einzusetzen, aber am Ende hatte er selbst eine Bewertung der Lebensweise hier parat. Er sagte: „I think Islam needs an update, we can not go on like this” Vielleicht hat er recht. Wir nahmen eine kalte Dusche und verließen die das Bad. Auf den Strassen war die Hölle los, noch mehr Traffic als sonst. Es ist die erste Nacht von Ramadan.

Ramadan

Der islamische Fastenmonat. Ich war sehr gespannt darauf, wie das wohl funktionieren mag, wenn die gesamte Bevölkerung eines Landes während die Sonne scheint kein Essen UND kein Trinken zu sich nimmt. Es haben schließlich nicht Alle Ferien in dieser Zeit und müssen ganz normal arbeiten – im Büro, auf dem Land, im Strassenbau… Aber ganz so ist es dann natürlich nicht. Wie schon erwähnt gibt es islamische Regeln, es gibt staatliche Gesetze und es gibt Dinge die man gesellschaftlich nicht tut. Manchmal gelten alle drei Instanzen, manchmal Eine, manchmal Keine. Erst dachte ich, Essen oder trinken bei Sonnenlicht in der Öffentlichkeit ist gesetzlich verboten. Dann habe ich erfahren, dass es einfach ein No-go ist, weil man den ernsthaft fastenden Mitbürgern nicht völlig respektlos ein Sandwich vor die Nase halten will. Als nächstes erzählte mir eine iranische Studentin, dass letztes Jahr eine Deutsche ernsthaft Schwierigkeiten mit der Polizei bekam, als sie sich auf einer belebten Kreuzung eine Pepsi aufmachte. Also was gilt denn nun? Ich weiss es auch nicht, keine Ahnung! Ich beschränke mich mal auf das was ich beobachte. In einer Seitenstrasse hab ich bisher nur einmal einen alten Mann mit einer Wasserflasche gesehen. Ansonsten isst in der Öffentlichkeit Niemand etwas. Die vielen kleinen Imbissbuden haben zwar irgendwie geöffnet, verkaufen aber meisstens nichts… Neulich war ich mit Chris (AIESEC-Praktikant aus England) in der Mittagspause auf der Suche nach etwas Essbaren. In einem Imbissladen bekamen wir Sandwiches – aber nur zum mitnehmen.

In der Uni ist es so: Etwa die hälfte der Studenten fasten, die andere Hälfte fastet nicht. Die, die nicht fasten, essen aber auch nicht offiziell. Es fühlt sich für mich ein bischen so an, wie wenn man als Kind vor dem Mittagessen heimlich Schokolade nascht. Ab und zu sieht man, wie sich jemand heimlich einen Tee macht oder hinter dem Laptop Kekse isst. Alle wissen bescheid, aber trotzdem gibt es keinen Essensraum für Nicht-Fastende. Das ist echt sehr interessant für mich. Die islamischen Regeln sind hier keine Verhaltensempfehlung, sie sind „offiziell“ zu befolgen. Was man „Inoffiziell“ macht ist eine andere Sache. Aber was ist mit uns? Hier in der Fakultät sind wir 4 ausländische, Nicht-muslimische Studenten, die hier 5 Tage in der Woche einen Arbeitstag von minimum 8 Stunden haben. Ich glaube unsere bloße Anwesenheit bewegt schon etwas. Ich stelle mir vor wie sich die Uni-Verantwortlichen beraten und sich sagen: „Wir sind eine Universität mit internationalen Anspruch, aber unsere internationalen Studenten dürfen offiziell nichts essen…das geht nicht!“ Das ist natürlich bloße Spekulation aber es kommt mir wieder in den Sinn was mir Mohammed in der Sauna gesagt hat. „We can not go on like this!“ Mittlerweile wird es geduldet, wenn wir uns in den leeren Mensaraum setzen und unser Mitgebrachtes verzehren. Aber nicht das ein falscher Eindruck entsteht, die Uni-Leute sind super hilfsbereit und unterstützen uns wo sie nur können. Diese Fakultät ist relativ klein und die Atmosphäre ist sehr familiär. Es ist sehr angenehm hier zu arbeiten und die Leute sind typisch iranisch super freundlich. Nur bringt leider während Ramadan auch in Tehran Niemand einen Tee heran…

Nach all dem „Gefährlichem Halbwissen“ über das Fasten hab ich dann aber doch noch eine authentische Fastenerfahrung gemacht. Hojat hat nicht nur einen sehr interessanten Sinn für Humor (siehe „Hojat-Humor“) und ist ein sehr toleranter Mensch, er ist auch sehr religiös. Er betet dreimal am Tag (wenn ich mich nicht irre). Häufig kommt es vor, dass wir mit AIESECern bei jemandem zu Hause sitzen und Spaß haben und Hojat auf einmal aufsteht und 2 Meter entfernt von unserem (manchmal recht lauten) Unterhaltungen anfängt seine Gebet aufzusagen. Er ist dann völlig in sich gekehrt und scheint allem weltlichem abgewandt. Hojat gehört also auch zu der fastenden Bevölkerung. Gegen 8 Uhr Abends geht die Sonne unter und wir waren mit ein paar Leuten bei Hojat zu Hause. Es gibt dann ein spezielles Essen, wir haben es scherzhaft „Breakfast“ getauft, weil das Fasten unterbrochen wird (Ich glaub es gibt auch ein persisches Wort dafür). Es besteht aus Tee, Brot, einem Brei-artigem Gericht („Ash“) und speziellen Süssigkeiten. Damit wird der dringlichste Hunger getilgt. Danach haben wir eigentlich den ganzen Abend lang irgendwelche Sachen gegessen und sind irgendwann eingeschlafen. Morgens um 5 gab es dann die eigentliche Hauptspeise: Hänchen mit Reis und Brot. Das ist mal ne Ansage um 5 Uhr morgens. Weil wir alle an diesem Tag frei hatten, haben wir uns anschließend wieder hingelegt und haben bis 11 Uhr Vormittags geschlafen.

Hoyat-Humor

An einem Abend hat mich Hoyat zu sich nach Hause eingeladen. Ich kante ihn noch nicht so gut, es war glaube ich in meiner ersten Woche hier. Was ich bisher über Hoyat erfahren habe war, dass er Anwalt ist, AIESEC unterstütz bei rechtlichen Fragen und immer Hunger hat. Wir sind zusammen mit ihm und einem Freund von ihm, Hussein, zu seiner Wohnung gefahren. Auf dem Weg dahin haben wir Eis und Gebäck gekauft („Shirini“). Es war ein sehr heisser Abend und dazu noch Stromausfall. Bei ihm angekommen fingen die Beiden an sich bis auf die Unterhosen auszuziehen. Es war halbdunkel, ich saß auf der Couch und beobachtete diese zwei Typen, wie sie fast nackt durch die Wohnung liefen und sich angeregt auf persisch unterhielten. Zwischendurch fragte mich Hoyat: „Do you want to take of you clothes?” Ich fragte mich ernsthaft in welche Richtung sich dieser Abend entwickelte. Ich dachte mir..Neeeein, das ist kein schlechter Film... dennoch fühlte ich ein gewisses unbehagen. Hoyat schien das zu merken und kam auf einmal auf mich zu. Ich saß noch immer auf der Couch, er stellte sich mit seiner Unterhose bekleidet vor mich, fasste mich an die Schultern und sagte energisch: „Tobi, I am hungry I will eat you up!“ Meine Augen waren weit geöffnet, für ein paar Sekunden sah er mich an. Dann fing er laut an zu lachen. Das nennt man wohl verarscht. Nach einer kurzen Zeit kam der Strom wieder, das Licht ging an und auch die Klimaanlage. Die beiden zogen sich Hosen an und wir haben gegessen.
Später am Abend hat Hoyat auch noch den Spruch der Woche gebracht. Er macht sich manchmal lustig über seinen Mitbewohner, der sehr jung geheiratet hat. Sein Kommentar dazu: "In Iran we say: if you want to have a glass of milk - you don't need to buy the whole cow!"


Hussein und Hoyat (rechts im Bild)

Arbeiten bei AIESEC Tehran



Mittlerweile habe ich verschiedene Workshops mit iranischen AIESECern als Teilnehmer trainiert (u.a. zum Thema Account Management). Auf den ersten Blick schien mir das bis auf die offensichtlichen Regeln des Umgangs gar nicht so anders als mit deutschen Studenten. Z.B. haben wir bei einem Workshop einen Raum in einer anderen Organisation benutzt. Als wir ankamen, sagte der Verantwortliche plötzlich wir könnten dort nicht ohne Aufsicht bleiben, weil wir eine gemischt-geschlechtliche Gruppe seien. (Randnotiz: alle Anwesenden waren Volljährig!) Nach einigem hin und her ging es dann allerdings doch. Diese Trennung von Mann und Frau im täglichen Leben ist hier allgegenwärtig, siehe "Seperation".

Interessanter wurde es allerdings bei den Soft-Factors eines solchen Workshops. Ein für mich wesentlicher Teil für erfolgreiche Teamarbeit sind gewisse Verbindlichkeiten auf die man sich in jeder Situation verlassen kann. Z.B ein fest gelegter Arbeitsprozess oder Teamregeln. Im Iran sind Verbindlichkeiten im Allgemeinen eine Herausforderung. Die größte (und vielleicht einzige?) Verbindlichkeit, so scheint es mir, ist der Islam und dessen regeln. Sina, ein Ingenieur-Student und AIESEC-Mitglied, hat es so formuliert: „The most given answer to any question in Iran is: It depends!“


Dieser Umstand wurde besonders deutlich als wir versucht haben Regeln für das geben und nehmen von Feedback zu entwickeln. Wir waren uns einig, dass eine positive Feedback-Atmosphäre die Performance eines Teams verbessert, weil jedes Teammitglied so von der Aussensicht der Anderen profitieren kann. So weit so gut. Nun wollte ich gerne konkrete Regeln aufstellen und bekam ein schönes Beispiel dafür, warum die oft genannte „interkulturelle Sensibilität“ tatsächlich eine wichtige Rolle spielt, wenn man in internationalen Teams arbeitet. Feedback nehmen kann eine Herausforderung sein, gerade wenn man in stürmischen Momenten emotional berührt ist oder auch wenn man nicht vor versammelter Mannschaft sein Gesicht verlieren will. Also schien es mir völlig eindeutig, dass wir als Regel aufstellen: Bevor man Feedback gibt, danach fragen, ob die Person jetzt gerade bereit dafür ist es aufzunehmen. Das wäre allerdings zu einfach gewesen, alle Iraner waren sich einig: „It does not work!“ Warum? Die persische Höflichkeit verbietet es, diese Frage mit einem schlichten: „No, please not now!“ zu beantworten. Mir wurde erklärt ein Iraner würde aus reiner Höflichkeit immer JA sagen. Hm, was nun? Ich wollte eine Entscheidung haben, eine Antwort, und zwar eine die nicht lautet: „It depends, if the person….“ Wir haben uns am Ende darauf geeinigt, meinen Vorschlag einfach mal in der täglichen Arbeit auszuprobieren. Am Ende der Session hatte Ali, der auch schon einige Zeit in Polen verbracht hat, dann auch gleich ein Feedback für mich parat: „You look at the things in a typical western way!“ Danke für das Feedback.

P.S: Für alle AIESECer mit myaiesec.net - Zugang, hier der Link zu meinem CEED-Wiki mit allen Outputs der Sessions:

http://www.myaiesec.net/content/viewwiki.do?contentid=10029108