Sonntag, 14. September 2008

Ramadan

Der islamische Fastenmonat. Ich war sehr gespannt darauf, wie das wohl funktionieren mag, wenn die gesamte Bevölkerung eines Landes während die Sonne scheint kein Essen UND kein Trinken zu sich nimmt. Es haben schließlich nicht Alle Ferien in dieser Zeit und müssen ganz normal arbeiten – im Büro, auf dem Land, im Strassenbau… Aber ganz so ist es dann natürlich nicht. Wie schon erwähnt gibt es islamische Regeln, es gibt staatliche Gesetze und es gibt Dinge die man gesellschaftlich nicht tut. Manchmal gelten alle drei Instanzen, manchmal Eine, manchmal Keine. Erst dachte ich, Essen oder trinken bei Sonnenlicht in der Öffentlichkeit ist gesetzlich verboten. Dann habe ich erfahren, dass es einfach ein No-go ist, weil man den ernsthaft fastenden Mitbürgern nicht völlig respektlos ein Sandwich vor die Nase halten will. Als nächstes erzählte mir eine iranische Studentin, dass letztes Jahr eine Deutsche ernsthaft Schwierigkeiten mit der Polizei bekam, als sie sich auf einer belebten Kreuzung eine Pepsi aufmachte. Also was gilt denn nun? Ich weiss es auch nicht, keine Ahnung! Ich beschränke mich mal auf das was ich beobachte. In einer Seitenstrasse hab ich bisher nur einmal einen alten Mann mit einer Wasserflasche gesehen. Ansonsten isst in der Öffentlichkeit Niemand etwas. Die vielen kleinen Imbissbuden haben zwar irgendwie geöffnet, verkaufen aber meisstens nichts… Neulich war ich mit Chris (AIESEC-Praktikant aus England) in der Mittagspause auf der Suche nach etwas Essbaren. In einem Imbissladen bekamen wir Sandwiches – aber nur zum mitnehmen.

In der Uni ist es so: Etwa die hälfte der Studenten fasten, die andere Hälfte fastet nicht. Die, die nicht fasten, essen aber auch nicht offiziell. Es fühlt sich für mich ein bischen so an, wie wenn man als Kind vor dem Mittagessen heimlich Schokolade nascht. Ab und zu sieht man, wie sich jemand heimlich einen Tee macht oder hinter dem Laptop Kekse isst. Alle wissen bescheid, aber trotzdem gibt es keinen Essensraum für Nicht-Fastende. Das ist echt sehr interessant für mich. Die islamischen Regeln sind hier keine Verhaltensempfehlung, sie sind „offiziell“ zu befolgen. Was man „Inoffiziell“ macht ist eine andere Sache. Aber was ist mit uns? Hier in der Fakultät sind wir 4 ausländische, Nicht-muslimische Studenten, die hier 5 Tage in der Woche einen Arbeitstag von minimum 8 Stunden haben. Ich glaube unsere bloße Anwesenheit bewegt schon etwas. Ich stelle mir vor wie sich die Uni-Verantwortlichen beraten und sich sagen: „Wir sind eine Universität mit internationalen Anspruch, aber unsere internationalen Studenten dürfen offiziell nichts essen…das geht nicht!“ Das ist natürlich bloße Spekulation aber es kommt mir wieder in den Sinn was mir Mohammed in der Sauna gesagt hat. „We can not go on like this!“ Mittlerweile wird es geduldet, wenn wir uns in den leeren Mensaraum setzen und unser Mitgebrachtes verzehren. Aber nicht das ein falscher Eindruck entsteht, die Uni-Leute sind super hilfsbereit und unterstützen uns wo sie nur können. Diese Fakultät ist relativ klein und die Atmosphäre ist sehr familiär. Es ist sehr angenehm hier zu arbeiten und die Leute sind typisch iranisch super freundlich. Nur bringt leider während Ramadan auch in Tehran Niemand einen Tee heran…

Nach all dem „Gefährlichem Halbwissen“ über das Fasten hab ich dann aber doch noch eine authentische Fastenerfahrung gemacht. Hojat hat nicht nur einen sehr interessanten Sinn für Humor (siehe „Hojat-Humor“) und ist ein sehr toleranter Mensch, er ist auch sehr religiös. Er betet dreimal am Tag (wenn ich mich nicht irre). Häufig kommt es vor, dass wir mit AIESECern bei jemandem zu Hause sitzen und Spaß haben und Hojat auf einmal aufsteht und 2 Meter entfernt von unserem (manchmal recht lauten) Unterhaltungen anfängt seine Gebet aufzusagen. Er ist dann völlig in sich gekehrt und scheint allem weltlichem abgewandt. Hojat gehört also auch zu der fastenden Bevölkerung. Gegen 8 Uhr Abends geht die Sonne unter und wir waren mit ein paar Leuten bei Hojat zu Hause. Es gibt dann ein spezielles Essen, wir haben es scherzhaft „Breakfast“ getauft, weil das Fasten unterbrochen wird (Ich glaub es gibt auch ein persisches Wort dafür). Es besteht aus Tee, Brot, einem Brei-artigem Gericht („Ash“) und speziellen Süssigkeiten. Damit wird der dringlichste Hunger getilgt. Danach haben wir eigentlich den ganzen Abend lang irgendwelche Sachen gegessen und sind irgendwann eingeschlafen. Morgens um 5 gab es dann die eigentliche Hauptspeise: Hänchen mit Reis und Brot. Das ist mal ne Ansage um 5 Uhr morgens. Weil wir alle an diesem Tag frei hatten, haben wir uns anschließend wieder hingelegt und haben bis 11 Uhr Vormittags geschlafen.

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