Sonntag, 14. September 2008

Seperation, Sauna und Islam



Während man sich in Deutschland darüber streitet, ob muslimische Mädchen am feucht-fröhlichen Badespaß mit gleichaltrigen Jungs im schwierigen Alter im Rahmen des Sportunterrichts teilnehmen MÜSSEN, weht hier wahrlich ein ganz anderer Wind.

Ajatolla Khomeini hat gesagt: „In einer islamischen Republik werden die Frauen in der Lage sein zu wählen, einer Beschäftigung nachzugehen und eine höhere Schulbildung zu genießen, aber all das muss mit einer geeigneten Form der Bekleidung, einem Minimum von Verschleierung und wo immer es möglich ist, getrennt von Männern geschehen.“ (Quelle: Wikipedia)

Das „entdecken“ des anderen Geschlechts geht offiziell (und gefühlt auch inoffiziell) vor der Heirat nicht über einen Handschlag hinaus. Und selbst der ist manchmal schon ein Wagnis. Die Regel lautet: Gib nie einer Frau in der Öffentlichkeit die Hand, warte bis sie die Initiative ergreift (oder auch nicht). Mir scheint keine bestimmte Logik dahinter zu stecken, manchmal geben mir Frauen die Hand, manchmal nicht.

Ich wohne im Studentenwohnheim, auch hier klare Regeln

  • Jungs und Mädchen wohnen in verschiedenen Gebäuden
  • Das Betreten des anders-geschlechtlichen Traktes ist untersagt, sprich: „Kein Damenbesuch“
  • Jungs haben einen Schlüssel für ihr Wohnheim
  • Mädchen haben keine Schlüssel, sie müssen Klingeln. Der Hausmeister wohnt im Erdgeschoss und öffnet die Tür (nach 10 Uhr Abends macht er zusätzlich ein böses Gesicht)

Eigentlich ist die Bezeichnung „Jungs und Mädchen“ nicht ganz passend, wir sind alle über 20. Aber im Iran gilt, so scheint es mir : Vor der Ehe ist jegliche Annäherung von Frauen und Männern zu unterbinden. Basta! (Sexuelle Handlungen vor der Ehe sind übrigens per Gesetz verboten)

Wir Ausländer geben unser Feedback zu diesen Regeln, indem wir abends manchmal Stühle vor das Haus stellen, unser Abendessen gemeinsam auf der Strasse essen und im Anschluss manchmal noch einen Film mit dem Laptop anschauen. Sehr zum Erstaunen der Anwohner. Allerdings müssen wir bei den intimeren Szenen den Laptop zuklappen.

Ganz anders wiederum ist es bei Iranern zu Haue bei privaten Events. Neulich war ich zu einer Party eingeladen. Ich wurde in ein unscheinbares Hochhaus geführt. Als ich in die Wohnung eintrat bekam ich (nach 2 Wochen „offizieller Umgebung“) einen regelrechten Wahrnehmungs-Schock. Ist ja auch irgendwie logisch. Wenn man als Frau im Alltag total verhüllt rumlaufen muss, tendiert die „inoffizielle“ Kleiderwahl wohl eher ins Gegenteil. Also „aufgebrezelt“ ist gar kein Ausdruck für die äußere Erscheinung der anwesenden Mädels. Ich hab auch Fotos gemacht, die kann ich aber aus verschiedenen Gründen hier nicht veröffentlichen. Dieses „Inoffiziell“ zieht sich hier einmal quer durch die Gesellschaft. Es gibt Dinge die sind verboten, und es gibt Dinge, die tut man nicht. Z.B. mit freiem Oberkörper Wäsche auf dem Balkon aufhängen. Unsere Nachbarn haben sich beschwert. Ich glaube Iraner haben Angst vor nackten Menschen. Aber das ist nicht nur hier so. Ich erinnere mich an meine USA-Reise. Als ich am menschenleeren Strand von South Carolina schnell mal in meine Badehose schlüpfen wollte, ist meine amerikanische Begleiterin fast gestorben vor Angst davor, dass plötzlich die Polizei aus dem Gebüsch springt und uns beide festnimmt. Gibt es einen Zusammenhang zwischen der Möglichkeit von FKK-Stränden und einer liberalen Gesellschaft? 1 – 0 für Deutschland würd ich sagen.

Apropos baden. Am Abend vor Ramadan hat mich Mohammed zum schwimmen eingeladen. Ich war erstaunt über die Anlage, etwa vergleichbar mit dem Mid-Sommerland in Harburg. Sehr nett: Trockensauna, Dampfsauna, Kältebecken, Whirpool, großes Becken zum Schwimmen. Es war die perfekt Entspannung von dem staubigen, SMOG-heimgesuchten Moloch Teheran. Und zusätzlich sehr interessant. Die Dampfsauna war gut besucht und Einer trommelte auf einem Eimer herum. Er gab auch den Ton an und bei scheinbar bekannten Textpassagen stimmten Alle mit ein. Ein feucht- fröhlicher Sauna-Chor mit Sprechgesang Einlagen des Trommlers. Mohammed übersetzte mir einige seiner Einlagen: es ging hauptsächlich um schlüpfrige Eskapaden des Trommlers – vor und während der Ehe!! Ich war schockiert und entzückt zugleich. Zwischendurch wurde eiskaltes Wasser in einer Schale gereicht. Herrlich.

Später in der Trockensauna erzählte ich Mohammed von unseren Sauna-Gepflogenheiten in Deutschland. Etwa, dass wir unsere Badehosen ausziehen und… es war mir schon fast unangenehm zu sagen (3 Wochen islamische Welt sind auch an mir nicht ganz spurlos vorübergegangen) mit Frauen zusammen! Dies schien für Mohammed wirklich sehr schwer vorstellbar. Ich hatte mir fest vorgenommen, so wenig wie möglich meine Eindrücke zu bewerten, sondern mich darauf zu konzentrieren so viel wie möglich zu verstehen und zu erleben. Wir unterhielten uns lange über die verschiedensten Dinge. Mohammed käme sicher nie auf die Idee sich im Iran für die Einführung von Gemischt-Saunas einzusetzen, aber am Ende hatte er selbst eine Bewertung der Lebensweise hier parat. Er sagte: „I think Islam needs an update, we can not go on like this” Vielleicht hat er recht. Wir nahmen eine kalte Dusche und verließen die das Bad. Auf den Strassen war die Hölle los, noch mehr Traffic als sonst. Es ist die erste Nacht von Ramadan.

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